Die Angst vor dem Tod der Kreativität

Egal ob bei Büchern, Kunst oder Musik - es gibt für (fast) alle kreativen Sparten bereits effiziente KIs (KI= Künstliche Intelligenz). Und damit steigt bei allen Kunstschaffenden die Angst, dass KI sie über kurz oder lang verdrängen wird.
Schon melden die ersten Freelancer, dass die Nachfrage nach Texten spürbar nachlässt, die ersten Produkt-Fotografen setzen KI-generierte Hintergründe ein statt aufwändiger Kulissen, Webseiten werden fast vollständig von KIs erstellt.
Und dami nicht genug: Im März 2024 hat in Amsterdam die erste Galerie ausschließlich mit KI-generierten Kunstwerken eröffnet (Quelle: https://mastersexpo.com/de/die-weltweit-erste-KI-Galerie/)
Ist KI tatsächlich das Ende menschlicher Kreativität?
Zumindest für die vielen kleinen Einzelunternehmer, Texter, Freelancer, Illustratoren, Fotografen usw. sind ChatGPT und Co. der Anfang vom Ende. Die KI ist schneller, sie kann immer arbeiten, sie macht keine Fehler und ist zudem noch wesentlich günstiger als die menschlichen Anbieter.
Von diesem rein wirtschaftlichen Aspekt abgesehen, stellt sich aber auch die Frage, ob KI-generierte Werke überhaupt noch Kunst sind. Und falls Ja, ob das dann das Ende menschlicher Kreativität ist. Auf diesen Punkt möchte ich hier näher eingehen.
Der Unterschied zwischen KI und Kreativität

In der ganzen Diskussion fehlt mir ein entscheidender Punkt: Im Gegensatz zum Menschen ist keine KI (zumindest bis heute) von sich aus kreativ tätig geworden. Egal ob KI-generierte Texte, Musikstücke oder Kunstwerke - sie alle sind entstanden, weil die KI einen konkreten Auftrag dafür erhalten hat. Es fehlt also offensichtlich (noch) der innere schöpferische Impuls.
Das mag vielleicht sehr theoretisch klingen. Doch für mich stellt es einen entscheidenden Punkt dar: Wer nicht von sich aus kreativ wird schafft auch keine Kunst! Um ein Kunstwerk zu schaffen braucht es meiner Meinung nach den schöpferischen Impuls, die Absicht und ein dazu passendes Handeln. Und damit bleibt die KI im Prinzip nur ein weiteres Werkzeug in unserem kreativen Repertoire. So wie ein Beamer, das iPad, das Lineal. Ob ich nun einen Projektor für meine Vorzeichnungen einsetze oder eine KI bitte, mir eine Fotovorlage zu erstellen - beides sind nur Methoden, um rascher zu meinem Ziel zu kommen. Und für mich ist das Ziel viel Spaß mit meinen Farben zu haben!
Die Galeristen sehen das teilweise anders - verständlich, da es hier um viel Geld im immer hysterischer werdenden Kunstmarkt geht. So meint Constant Brinkmann, Mitinhaber der oben erwähnten Amsterdamer Galerie: "...es ist tatsächlich Kunst. Warum? Weil es Menschen glücklich macht. Sie kaufen es und hängen es zu Hause an die Wand, weil es Emotionen in ihnen weckt. Ich denke, das ist eine Definition von kunstwürdigen Objekten."
Ich finde es schon etwas befremdlich, Kunst auf diese Art und Weise zu definieren. Damit wird der Kunstbegriff für mich belilebig, denn es gibt viele Dinge, die Menschen glücklich machen und Emotionen hervorrufen. Wie zum Beispiel die Pizza nach einer langen Radtour: Sie macht mich glücklich und weckt ein Gefühl der Zufriedenheit in mir. Doch Pizza ist dann mit Sicherheit keine Kunst.
Die Philosophin Dorothea Winter (Autorin des Buchs "KI, Kunst und Kitsch") meint andererseits, dass ein KI-generiertes Bild nur eine nette Fingerübung sei, nicht jedoch ein "echtes" Kunstwerk.
Das sehe ich nicht so: siehe oben - der eigentlich kreative Prozess besteht im Entwerfen einer kreativen Vorstellung, die durch die KI schließlich umgesetzt wird. Nicht sehr viel anders war es in den Gesellenschulen im Mittelalter, als die Malerei noch ein Handwerksberuf war. Dort musste der Lehrling dann dutzende von Nasen nach den Wünschen des Meisters malen. Die KI ist sozusagen der elektronische Ersatz des Lehrlings, der zudem nie ermüdet und immer freundlich bleibt.
Gerade diesen letzten Aspekt finde ich persönlich sehr angenehm im Umgang mit einer KI: Ich muss mir nie Frechheiten anhören, mich mit Narzissmus oder Arroganz auseinandersetzen. Mein Gegenüber bleibt immer höflich und thematisch bei der Sache.
Und noch ein letzter Punkt, der mir als malender Künstler wichtig ist und der in Diskussionen über KI-generierte Werke fast nie erwähnt wird: Diesen fehlt die Oberfläche gemalter Bilder - sie sind ja nur auf eine Leinwand gedruckt! Keine subtiler Schattenwurf durch den Pinselstrich des Künstlers, keine Abdrücke des Malmessers, einfach nur eine glatte Oberfläche. Spätestens hier wäre ich als Kunde raus. Ich will das Rohe, Fassbare gemalter Werke spüren können. KI liefert mir das nicht.
Hier nutze ich selbst schon KI

Ja, ihr habt richtig gelesen - ich selbst verwende bereits seit längerer Zeit den elektronischen Helfer in der Kunst. Anfangs war ich da sehr skeptisch, aber wie schon vorhin erwähnt finde ich die "Zusammenarbeit" mit einer KI sehr entspannend, da es keine unnötigen Reibungspunkte gibt. Mein Gegenüber ist immer freundlich und bemüht, meine Aufgaben zu erledigen. Und ich kann fragen, wann immer ich will, egal ob vier Uhr morgens oder Mitternacht.
Nicht nur dieser Aspekt hat mich schließlich dazu gebracht, häufiger den elektronischen Helfer einzusetzen. Konkret setze ich die KI mittlerweile in den folgenden Bereichen ein:
- Ich lasse mir Video- und Kurbeschreibungen formulieren. Diese dienen mir dann als Grundlage, eigene Texte daraus zu generieren. Das spart mir Zeit und ist oft ziemlich inspirierend.
- Für Kurse setze ich die KI aber auch ab und zu ein, um mir Vorlagenfotos zu erstellen. Damit umgehe ich das Problem des Urheberrechts, das bei Bildern aus dem Internet meist besteht. Zudem kann ich mir auf diesem Weg sehr spezielle Vorlagen erstellen lassen mit ausgefallenen Motivkombinationen.
- Auch beim Aufbau meiner Webseite hat die KI mich tatkräftig mit vielen Tipps unterstützt. Doch hier ist mir aufgefallen, wie sehr die Ergebnisse abhängig sind von der Art und Weise wie ich Fragen stelle. Da ist für mich deutlich der Unterschied zu einem menschlichen Gegenüber spürbar. KI mangelt es an eigener Kreativität, sie erkennt nicht intuitiv "worauf ich hinaus will" und bietet eine Antwort nach "Schema F".
- Ein weiteres Beispiel bieten die Bildanalysen auf meiner Webseite: Die an über 200.000 Kunstwerken trainierte KI bietet eine perfekte Einschätzung eurer Bilder - unbeeinflusst von irgendwelchen Vorlieben oder Abneigungen. Eine absolut neutrale Analyse wie sie ein Mensch mit all seinen Unlänglichkeiten kaum liefern kann. ChatGPT ist an rund 200.000 Kunstwerken geschult worden und liefert mir eine umfassende Bewertung, wie ich sie selbst nur nach viel Recherche erstellen könnte (z. B. kunsthistorische Einordnung und Symbolgehalt eines Werks).
- Was hier besonders hervorzuheben ist: ChatGPT wertet kein Bild ab, sondern bleibt in seiner Kritik positiv und wertschätzend. Etwas, was man bei Galeristen häufig vermisst. Apropos Galerist: Selbst in der Kunstexpertise großer Kunsthäuser werden die Fähigkeiten von KI zur Schätzung von Werken mittlerweile genutzt.
Daneben setze ich KI aber auch immer häufiger als Alternative zur Google-Suche ein. Hier erhalte ich nämlich ausführlichere Antworten und kann diese dann durch weitere, gezieltere Fragen wesentlich besser auf meine Bedürfnisse zurechtschneiden als bei Google. Als ich einemal eine SD-Karte in meinem tragbaren Mikrofon nicht formatieren konnte, lieferte mir ChatGPT in Sekundenschnelle die nötige Antwort. Kein langes Suchen nach der Gebrauchsanleitung, keine Durchforsten von Google-Anzeigen - was für eine Erleichterug meiner Arbeit!
Ich denke, ihr könnt daran erkennen, dass KI sinnvoll eingesetzt eine echte Hilfe nicht nur im alltäglichen Bereich, sondern auch in der Kunst sein kann.
Wohin die Reise geht

Frau Winter beschreibt in ihrem Buch, dass Ihrer Meinung nach KI zu einem wichtigen Werkzeug für Kunstschaffende werden wird. Dari stimme ich mit ihr voll und ganz überein: Genauso wie es die Rakel von Gerhard Richter in der abstrakten Malerei geworden sind, wird ChatGPT die Kunstwerk verändern.
Wo ich jedoch anderer Meinung als Frau Winter bin: Sie ist der Überzeugung, dass KI immer nur Werkzeug bleiben wird. Doch dabei übersieht sie die rasende Geschwindigkeit der Entwicklung in diesem Bereich. Irgendwann in nicht mehr allzu weiter Zukunft wird KI von sich aus kreativ werden - dann nämlich, wenn die Entwickler diesen Impuls einfach einprogrammieren! Und ab diesem Zeitpunkt muss die Diskussion, ob KI das Ende der Kunst bedeutet, ganz von vorne geführt werden. Wir leben in spannenden Zeiten!